Litauische Geschichten by Sudermann Hermann

Litauische Geschichten by Sudermann Hermann

Autor:Sudermann, Hermann
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: (Privatkopie)
veröffentlicht: 2010-02-03T05:00:00+00:00


12

Von der Katrike und der Urte hab' ich noch gar nichts erzählt.

Die sind nun schon längst zwei große Mädchen, gehen in die Schule und lernen ein vornehmes Deutsch. Und die Erdme spricht auch nur noch Deutsch mit ihnen, denn sie sollen ja in die weite Welt hinaus, dorthin, wo die Menschen nicht einmal wissen, daß es Litauer gibt. Sie ist unerbittlich, wenn sie das »h« nicht aussprechen können, und wie sie's endlich gelernt haben, da verwechseln sie »Ecke« und »Hecke« und sagen »der Uhn at Heier gelegt«. Und manchmal weiß die Erdme es selbst nicht.

Tagtäglich hält sie ihnen vor, daß sie zu was Besserem geschaffen sind, als sich hier von dem Moorschlamm die Beine verderben zu lassen, denn das Moor beizt und macht Schrunden und Risse. Darum sollen sie in den Kartoffeln nur arbeiten, wenn die knappe Zeit es dringend verlangt. Am liebsten schickt sie sie in die Wiese. Dort dürfen sie auf den Heuhaufen liegen und den Schwalben nachgucken, soviel es ihnen gefällt. So wie die Schwalbchen werden sie auch einmal in andere Gegenden ziehen, aber heimkehren zum Nestbau, das werden sie nicht. Dafür sind sie zu schade.

Und die beiden Marjellen nutzen die Freizeit nach Kräften. Sie treiben sich weit und breit im Moore herum und entdecken allsommerlich neue Gebiete.

Der Fremde, der solch eine Öde durchwandert, wird nicht leicht glauben, wieviel es darin zu entdecken gibt. Da steht mit einem Male ein Birkengebüsch – von fern sah es nach gar nichts aus, aber steckt man die Nase hinein, dann ist es voll von heimlichen Wundern. Rauschbeeren wachsen darin, die sind giftig, aber gerade darum ißt man sie gern, denn sie schmecken noch schöner als die Blaubeeren, denen sie ähneln, und sie machen die Sinne wirr und heiß, so daß man taumelt und einschläft. Und der ledrige Porst treibt Büsche, in denen man sich verstecken kann, noch besser als in dem kitzelnden Heu.

Und manchmal findet man Blänken und Teiche – nicht die viereckigen mit dem kohlschwarzen Steilrand, die durch Torfstechen künstlich gemacht sind – o nein doch – diese hier stehen seit Erschaffung der Welt und stechen von weitem ins Auge wie verborgene Spiegel, die einer im Sonnenlicht hin und her dreht.

Aber hinzukommen ist schwer. Von Humpel zu Humpel muß man springen, sonst versinkt man womöglich im Schlamm, und wer einen dann noch herausholt, wie kann man das wissen? Aber ist man erst da, dann hat man Freude genug. Ringsherum kriecht wohl Nadelgestrüpp, wie Knäuel von Schlangen durcheinandergewunden. Darin klettert man 'rum und genießt das eigene Fürchten. Und noch was weit, weit Schöneres gibt es. Das ist der Rasen, der in das Wasser hineinwächst und auf dem man sich schaukeln kann, noch lustiger als zwischen zwei Birken. Aber fix muß man sein und das Fliegen verstehen, denn der Rasen schwimmt oben auf, und will man verweilen, dann sinkt er schwer in die Tiefe. Auch sind seine Ränder sehr böse gesinnt. Denn nie kann man wissen, wie weit er hält. Mit einem Male kann das Wasser an einem hochspritzen, und wie man dann 'rauskommt, das weiß man noch weniger.



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